florian zeeh: nichts als etwas

nichts als konzert

behind the scenes nichts als konzert fernsehstudio

gesprochene worte.

was zeigt sich?

weiterschreiben

wo soll man denn jetzt noch hinschreiben? du willst schreiben. vor allem jetzt, wo du eigentlich schon alles aufgeschrieben hast. das hingeschrieben werdende will hingeschrieben werden, es verselbstständigt sich das schrieben. als kind warst du einmal im museum. ich weiß nicht mehr, was es für eine ausstellung war, aber irgendwie ging es um ein ausgraben. mit pinsel im sand rumwühlen und einen lustigen hut aufsetzen dürfen. und da wolltest du archäologe sein. und als du im physikunterricht mit dem lehrer nicht darüber sprechen durftest, ich glaube es ging um atome, es ist schon lange her, was denn diese komischen so genannten elektronen dazu gebracht habe, sich zu drehen, was sozusagen ursprünglich den anstoß gab, und der lehrer keine antworten finden konnte, die deine neugier stillen konnten, da wolltest du physiker werden. dann hast du gedichte geschrieben. irgendwo müssen die noch sein, und als du von den physikern im sanatorium bei dürrenmat, bestimmt nicht allzuviel später last, und dann vom jungen törless und so sachen, da wolltest du schreiben. und dann beim musik machen. da wolltest du musiker sein. asket sein, nur vom denken ernähren und auch wolltest du fahrräder reparieren und fotografieren und computer programmieren. dann wolltest du, wie dein großvater orgelpfeifen zusammenleimen, aber eigentlich nicht so richtig, aber du mochtest diese maschine, die in der ecke immer so lustig funken im takt sprühte, beim schleifen der bandsägebletter. ratsch, zzt, pschling, ratsch, zzt, pschling, ratsch, zzt pschling. und dann wieder was anderes. und dann wieder etwas anderes. und so viel schien möglich, kampftauchen, pferde in kutschen einspannen, skiliftfahren und zuhören. und sprechen und musik machen und geräusche. und dann wieder schreiben. lesen. und immer wieder schreiben. und denken.
jetzt wieder. schreiben. und das schreiben ist doch immer wieder nur ein hinterher-schreiben. im freitag, der jede woche schon am donnerstag geliefert wird hast du von den neuen enden gelesen. etwas geht zuende. immer wieder und rainald goetz schweigt. haben sie gesagt. rainald goetz schweigt angeblich seit acht jahren und im bayrischen rundfunk sagen sie das auch. du hast dir angehört was sie sagen und du merkst, du bist da an etwas dran. oder vielmehr du bist da etwas hinterher? rainald goetz habe der wirklichkeit hinterhergeschrieben. und dann ließt du bei goetz, was der da so geschrieben hat. toll. das mit dem schlitzen in klagenfurt. schreibst du einem hinterher, der hinterhergeschriben hat? das fühlt sich seltsam an. brock beschreibt den unterschied zwischen epigonentum und epigonalität, ist aber vielleicht auch gar nicht so relevant.
kannst du einen schritt zur seite machen? du willst eigentlich nicht irgendwo hinterher sein. aber nicht, weil das hinterher sein schlecht wäre, eher, weil implizit ein hinterher sein immer auch von einem einholen spricht. oder überholen. da machst du doch gar nicht mit. daran glaubst du doch gar nicht, an diese versionen von erfolg und persönlicher entfaltung und diesem ganzen zeug. ist es nicht viel eher ein abholen, das dich interessiert? ein abholen und aufheben und weitergeben? oder abgeben? oder schwingt da auch ein überheben mit?
scheinbar gibt es etwas, das mit dem verschwinden der BRD, also so ungefähr mit deiner geburt, verschwunden ist. oder aufgetaucht. oder unter- und ab-? oder hast du dich beim eintauchen in diese nostalgischen hass-gefühle, in diese selbstzerstörerischen fortschrittsverweigerungen einfach nur ein bisschen verlaufen? dabei ist es ja gar nicht ein gegen-den-fortschritt als vielmehr ein bedürfnis nach einem anderen fortschritt. vielleicht muss man fortschritt eine weile mit v schreiben. vortschritt. das ist ein bisschen schon wie der schritt zur seite. dann kann man auch das t weglassen, dann heißt es: vorschritt. also ein übersprung. über den fortschritt hinaus, oder daneben weg, oder wie auch immer, jedenfalls etwas hinter dir lassen.
ja vielleicht auch ein hintritt. vortreten, hinstellen, hintreten, hinfallen. so wie kniekehlen aufschürfen. das ist dir auch schon mal passiert. vorschritt und hintreten, wo es anders wäre. anders sein könnte. und dann das ganze
unterbrechen. das war schon mal thema.

dazu: unterbrechung--------------unterbrechen
und
--- er brechen (bricht)
unter
über sie brechung
und unter
--- ihm
--- er
über ihr
sie -------------------- unterbrechen
sich ———
sich selber ------------ unterbrechen
und untereinander ----- unternehmen
--- sie
un ------- erfolgreich

so geht das dann eben weiter.

existenz ist irrtum, sagt oehler. damit müssen wir
uns früh genung abfinden, damit wir eine grundlage
haben, auf welcher wir existieren können, sagt
oehler. der irrtum ist folgerichtig die einzige
reale grundlage. aber an diese grundlage als grund-
satz zu denken, sind wir nicht immer verpflichtet,
das müssen wir nicht, sagt oehler, das können wir
nicht. wir können immer wieder nur ja sagen in dem,
zu welchem wir bedingungslos nein sagen müssen,
verstehen sie, sagt oehler, das ist die tatsache.
(aus thomas bernhard: »Gehen«)

etwas verschwindet oder erscheint - unentscheidbar

einige einleitende bemerkungen

die folgenden seiten dokumentieren meinen versuch, einen rest zu beschreiben, der sich bei jeder beschreibung entzieht. das leben als solches vollzieht sich in einem spalt zwischen der empirischen lebensrealität als mensch und den vermutungen. anders ausgedrückt: zwischen dem, was ist und dem, was sein könnte. immer wieder staune ich über die uneinholbare differenz zwischen den möglichkeiten im denken und der physisch erfahrbaren welt. es ist die sprache, die uns über die zeitlichen und räumlichen grenzen des hier und jetzt hebt. sie ermöglicht uns, differenzen zu benennen. sie macht es möglich zwischen nichts und etwas zu unterscheiden. mich interessieren die voraussetzungen, unter denen die differenzen wahrgenommen werden. ich gehe nicht davon aus, dass es in den komplexen wirkungszusammenhängen der wirklichkeitskonstruktionen nur eine wahrheit gibt. je nach perspektive, wissenschaftlicher disziplin und betrachtungsabstand müssen wir mit multiplen versionen, die jeweils unter sich paradoxien erzeugen, leben. wenn die hoffnung, zu einer universellen version vordringen zu können, sich verflüchtigt wie ein parfum, dessen geruch verflogen ist, stellt sich die frage nach dem flacon. vermittelt die wirklichkeit verschiedene perspektiven, oder werden verschiedene wirklichkeiten durch ein medium vermittelt? die kunst vermag es zwischen dem, was ist und dem, was sein könnte, eine verbindung herzustellen. sie vermittelt die koexistenz von wissenschaft, literatur, musik, photographie usw. usf. und so möchte ich den vorhandenen geschichten keine weitere hinzufügen. vielmehr versuche ich eine verantwortungsvolle position als staunender passant zu finden.

still aus pawel pawilowskis film Tripping with Zhirinovsky. mann steht in der menge. in seiner 
		    sonnenbrille reflektiert sich der himmel

generische minuskeln

generische minuskeln es findet hier die konsequente kleinschreibung anwendung. ausgenommen ist ein fall, in dem zur vermeidung von missverständnissen auf die reguläre rechtschreibung zurückgegriffen wurde. weitere ausnahmen bilden werktitel. sie sind zur eindeutigen identifizierung dem original entsprechend.

geschlechtergerechte schreibung

geschlechtergerechte schreibung unter berücksichtigung der empfehlungen des deutschen rechtschreibrats vom 16. november 2018 werden im text generische maskulinformen vermieden. in der regel wird das sog. genersternchen (beispiel: autor*in) verwendet. in einzelfällen werden aus rhythmischen oder melodischen gründen nur weibliche formen und verdoppelte artikel (beispiel: die der instrumentalist*in) verwendet. in speziellen fällen wird der kasus experimentell, dem kontext entsprechend angepasst (beispiel: der_des). leider ließ sich die geschlechtergerechtigkeit nicht an allen stellen nach meinen wünschen herstellen. sowohl in den bildlichen darstellungen, als auch bei den zitaten und quellen im literaturverzeichnis ist die urheberschaft überwiegend männlichen ursprungs. über anregungen und hinweise auf interessante weibliche positionen im feld freue ich mich.

generell sind die musikalischen, lautlichen aspekte des textes (prosodie) ein besonders wichtiger anteil des schriftlichen ausdrucks. es ist nicht zwingend erforderlich, den text laut zu lesen. doch empfiehlt es sich aber, diese tatsache im hinterkopf zu behalten. anachronistische, retardierende oder vermeintlich vom inhalt ablenkende wendungen sind in der regel dadurch zu erklären. an vielen stellen werden die worte über die erzeugung von sinn oder bedeutung hinaus als eine art bühnenbild verwendet. rethorische figuren wie beispielsweise pleonasmen oder ellipsen werden bewusst als synästhetische erreger eingesetzt.

epigonalität

heiner müller mit zigarre an seiner schreibmaschine harun farocki sitzt nachdenklich an seinem schreibtisch the writer is the exemplary sufferer because he has found both the deepest level of suffering and also a professional means to sublimate (in the literal, not the Freudian, sense of sublimate) his suffering. As a man, he suffers; as a writer, he transforms his suffering into art. The writer is the man who discovers the use of suffering in the economy of art—as the saints discovered the utility and necessity of suffering in the economy of salvation. (sontag, 1994: 35f) sonntag, 22.2.98 [..] heute morgen, im bett, beim lesen im jünger buch: der text war nicht tod und verriegelt, von der plötzlichen realen leblosigkeitstraurigkeit — wie ich es bei den anderen toden so stark empfunden habe: warhol, bernhard, foucault, heiner müller — sondern plötzlich sogar viel freier, leichter, zugänglicher — eine art offene ruhe [..]
gestern, von 5 an: dauernd alle nachrichten gekuckt, auf allen sendern, um was von der jünger beerdigung zu sehen.
(goetz, 1998: 69ff) paris, 17. februar 1942
abends bei calvet, in gesellschaft von cocteau, wiemer und poupet, der mir ein autogramm von proust für meinesammlung gab. cocteau erzählte daraufhin von seinem verkehr mit proust. er ließ nie abstauben; die flausen lagen »wie chinchilla« auf dem mobiliar. [...] man fand ihn meist im bette, aber angezogen, mit gelben handschuhen, weil er vermeiden wollte, die nägel abzukauen. er gab viel geld aus, damit die handwerker im hause, deren geräusch ihn störte, nicht arbeiteten. [..] seinem raffinement fehlte es nicht an makabren zügen; er ging zum schlachter und ließ sich zeigen, »wie man ein kalb absticht«.
(jünger, 1964: 106f) 8. februar 1972 basel
dass man nur das sieht, was man nicht hat, dass man also dieses, dass, dass man das sieht was man nicht hat, sieht, nicht hat?!
(roth, 2005: 234) dieter roth am schreibtisch

das ende der fahnenstange lässt sich von oben nicht beschreiben

vierzig seiten lyrik oder unendliche topflappen ohne garn auf dem mars. erst im nachhinein lässt sich sagen, was der kern gewesen sein wird. kerne finden ist etwas für hühner. und selbst die hühner wissen vorher nicht, wo man die findet. will ich den kern finden? solange ich den kern nicht gefunden habe, kann ich nicht darüber schreiben. sobald ich ihn gefunden habe, will ich ich nicht mehr darüber schreiben.

sind sie das?
sind sie sicher?
das haben sie nicht gewußt, was?
was sagen sie?
das sagen sie uns?
und da wollen sie noch was von uns?
so. was haben sie grade gesagt?
wo ist es hin?
lese ich recht, oder habe ich das erfunden?
lese ich das etwa bei mir selber?
da sind wir uns doch einig?
wie sollten wir uns sonst vom andern unterscheiden?
wie von uns als waffe gebrauch machen?
ist das nicht noch mehr gewalt?
und sie?
echt?
im ernst?
was, sie haben kein recht mehr?
sie haben nicht mehr recht?
was haben sie, vertrauen?
haben wir das nicht fein gemacht?
wetten?
paradox, was?

age of the laminat: wir wandeln auf fototapeten

verben schmecken mir nach resopal

zu spät geboren, um zeitzeuge zu sein: die wirtschaftswunderjahrzehnte. als das plastik in seiner universalität ein klein wenig der großen zukunftsversprechen in die lebensrealität der durchschnittsbürger holte. plastik: formlos, unendlich flexibel und vielseitig. ein künstliches, wesenloses material, das sich von jeder beliebigen in jede andere beliebige form überführen lässt.
von lichtschaltern über schusshemmende westen bis hin zu raumfahrtausrüstung befeuert das vergleichsweise neue material kunststoff den menschlichen schaffens- und gestaltungsdrang. natürlich bleibt das göttliche vermögen, aus nichts etwas zu erschaffen, trotz der synthetischen makromoleküle uneingeholt. die unabhängigkeit von schon-da-seienden, irdischen ressourcen ist noch nicht gegeben, obschon die lebensverlängernden hilfsmittel wie hüftgelenke, herz-, hodenprothesen oder gesäßimplantate wenigstens ein längeres hoffen bescheren können. ein zynischer kniff:
nebenwirkungen müssen nicht von im kaukasusgebirge angeketteten ingenieur*innen ausgebadet werden. mit dem out-tasking dürfen auch niedere lebensformen am global village mitgestalten.

[...] they aimed at reproducing cheaply the rarest substances, diamonds, silk, feathers, furs, silver, all the luxurious briliance of the world. plastic has climed down, it is a household material. it is the first magical substance which consents to be prosaic. but it is precisely because this prosaic character is a triumpfhant reason for its existence: for the first time, artifice aims at something common, not rare. roland barthes in »the plastics age«

kopfklopfen

das ganze haus schnarrt, klopft, quasselt oder rauscht. anzeichen einer sich anbahnenden psychose? ein gang ins treppenhaus. woher kommt dieses klopfen? gibt es eine*n bildhauer*in im haus? das treppenhaus offenbart nur eine schön gedämpfte alltagsklangcollage aus telefongesprächen, putz- und kochgeräuschen, musik und kindergelächter. schade. die bildhauer*innen wohnen vielleicht im nachbarhaus. am schreibtisch noch immer dieses nervenaufreibende klopfen. die nachbarin zu meinen füßen pflegt laut zu telefonieren. mit ein wenig konzentration ist es leicht, dem gespräch zu folgen. der gesprächspartner plärrt aus einem lautsprecher. irgendwo fängt es an zu schaben. so kannst du dich nicht konzentrieren. du willst dir schnell eine konzentrations-komposition machen. nach zehn minuten reicht es dir. nicht schlecht, aber zum konzentrieren taugt es auch nicht. bild von sourcecode in supercollider jetzt läuft terre thaemlitz das funktioniert besser.um gute tapetenmusik zu sein, darf sie nicht zu viel dynamik haben. sie soll mit leichter, fluktuierender varianz überwiegend monoton und repetitiv sein. im unteren frequenzspektrum sollte etwas tragendes das hörende gemüt vorantreiben. einzelne, höher frequente klangereignisse können ein abstumpfen der ohren verhindern. stimme ist nicht so gut. ganz schlecht: gesprochene, verständliche sprachen.
gerade beschreiben indonesische nonnen auf englisch ihre elektrischen orgeln. wie und wann sie in ihrem kloster für die liturgie verwendet werden. das stört.

seinlassen oder sich einlassen?

sokrates beschreibt sich (in der beschreibung platons) als epistemologische hebamme, die durch geschicktes befragen der_des gebärenden bei der geburt einer erkenntnis behliflich ist. die kunst besteht dabei darin, die gedankenschwangere person gezielt so zu befragen, dass sie selbst die erkenntnis hervorbringt. diese praktik stellt sich gegen die gängige wissensvermittlung, bei der das wissen in die lernenden gewissermaßen umgefüllt wird. (vgl. hardy, 2001: 39ff)

zeichnung von flaschenabfüllung. still-frame aus gondrys 'is the man who is tall happy'

die ratlosigkeit, aporie, ist dabei ein sehr interessanter zustand. er ist erreicht, wenn sich für einem problem scheinbar keine lösung finden lässt und buchstäblich eine auswegslose situation eingetreten ist. aporien sind metaphysische probleme. ein ontologischer zweifel beispielsweise kann nur selten etwas an der tatsache ändern, dass du während des nachdenkens lieber zum klo gehen möchtest, als dir in die hose zu pinkeln. in der welt der körper gibt es nur zustände, keine probleme. aber das ist für einen geist schwer zu verdauen. zwischen der endlichen, materiellen welt und dem zeitlich und räumlich ungebundenen, unendlichen geist vermittelt in der hauptsache die sprache. schwierigkeiten mit der wahrnehmung gibt es erst, wenn du beginnst mit begriffen zu operieren und damit das wahrgenommene kategorisieren und verstehen willst. es ist kein problem einen giftigen pilz zu essen, wenn du statt über ein jenseits nachzudenken einfach tot umkippst. dann wird dein körper vielleicht einfach selbst zum rhizom. die sprache lässt bestimmte formen von logischen schlüssen zu, sie führt die vorstellung von falsch und richtig und eine idee der wahrheit ein. eine schlussfolgerung kann, unter der voraussetzung, dass man sich an die regeln der sprache hält, widerlegt werden. und ein knie kann geschichten erzählen: ein knie geht einsam um die welt/
es ist ein knie, sonst nichts./
es ist kein baum, es ist kein zelt,/
es ist ein knie, sonst nichts./
im kriege ward' einmal ein mann erschossen./
um und um/
sein knie allein blieb unverletzt,/
als wär 's ein heiligtum./
seit dem:/
ein knie geht einsam um die welt,/
es ist ein knie sonst nichts./ es ist kein baum, es ist kein zelt,/
es ist ein knie, sonst nichts./
[...] ich möchte einiges richtig stellen und durcheile die welt und spreche zugleich für den obergefreiten wieland mit, denn niemand ist einfach nur tot, wenn er stirbt. so kann man uns nicht abschreiben, die wünsche, die beine, die vielen glieder, rippen, die haut, die friert und eben: wenn nichts anderes übrig ist als das: ich, das knie, dann muss ich reden, reden, reden.
ein wehrmachtssoldat liegt auf schienen das knie des obergefreiten wieland bekommt durch alexander kluge in seinem film die patriotin (BRD 1979) eine stimme. es ist die poesie, die das leblose körperteil wieder zum leben erwecken vermag. die sprache, die durch unsere körperlichen stimm- und sprechapparate ver-wirklicht wird, ist vermittelnde kraft zwischen dem diesseits unserer materiellen existenz und dem jenseits all unserer metaphysischen bemühungen. zu jedem zeitpunkt ist es möglich zu verstummen, so wie es herman melvilles bartleby tut, der sich zuerst ins gefängnis und später in den tod hinein verweigert. unsere innere stimme aber lässt sich nicht knebeln und die interessantere frage ist mit dieser einsicht: wann genau verstummen wir, und wann nicht. diese kompositorische entscheidung ist die anfängliche schwierigkeit, mit der es gleichzeitig auch aufhört.

wonach wird gesucht?

wir sind verflucht, uns im uneindeutigen zu verheddern. gleichzeitig ist das die verurteilung zur wahrheitssuche. das wahre mit seinen voraussetzungen und konsequenzen ist nämlich gerade undurchsichtig und komplex. das wahre als wahre. als ware, entäußerbar, mit dem übertragungs- und vermarktungsanspruch wird die wahrheit vereinfacht, entwirrt, festgeklebt an arbiträren konventionen, um die mitmenschen nicht zu verstören und gleichzeitig die eigene existenz zu sichern. der selbsterhaltungstrieb betoniert uns in die herrschenden verhältnisse, die von uns die selbstausbeutung fordern. das unmögliche.

kommentar

die eitelkeit verblasst mit der erkenntnis der unversehrtheit. du willst so gern bemitleidet werden und selbst das hast du nicht verdient. dazu REICHT es nicht.

den glauben an anfänge und enden von überhaupt irgendetwas hast du doch schon längst abgegeben. oder davon abgelassen. dann eben immer wieder die poesie der undurchdringlichen aneinanderreihung von scheinbar bedeutungslosen worten und sätzen. besser als goldgelber sternenstaubkitsch, der parallel zur pointe von der bühnenarbeiterin in das publikum entlassen wird.

der rest von etwas

du bist zu schnell. deine schnelligkeit lässt dich langsam werden. deine frustration über die langsamkeit beschleunigt dich. etwas, das sich in sich selbst abbildet. etwas, das sich nicht abbilden lassen will. du entfliehst. du zerfließt und das zerfließen zerreißt deine gedanken in unbrauchbare fetzen.

am meisten treibt dich die nicht verschwinden wollende und unüberwindbare lücke zwischen dem, was du zum ausdruck bringen und dem, was du zum ausdruck bringen willst, um. es bleibt beständig ein rest, der sich nicht beschreiben lässt. du weißt, dass hinter diesem graben mehr als deine bloße unfähigkeit steckt. mit der aufgabe, eben genau diesen rest zu beforschen', hast du es dir nicht einfach gemacht. am beunruhigensten ist die befürchtung, selbst die wahrnehmung dieses forschungsinteresses könnte sich noch im text den leser*innnen verweigern.
beständig versuchst du aus der sprache auszubrechen, etwas jenseits der sprache zu formulieren. und stets wirst du von unsichtbaren kräften an der zunge in diesen käfig zurückgeführt. als mensch besitzt du keine instrumente mithilfe derer du differenzieren könntest zwischen endlich und unendlich, sterblich und unsterblich, sein und nichts etc.pp. die apparatur dafür ist allein die sprache. sie ermöglicht es, differenzen festzustellen oder eben: zu konstruieren. hier die so genannte wahrheit finden: eine auswegslose situation.

»die skeptische schule wird auch die 'suchende' genannt nach ihrer tätigkeit im suchen und spähen. [..] ferner wird sie die 'aporetische' genannt, und zwar entweder, weil sie in allem aporien und fragwürdigkeiten findet, wie einige sagen, oder, weil sie kein mittel sieht zur zustimmung oder verneinung.[..]«, (sextus 1984: s.94)

kommentar

aus sicherer entfremdung

ständig triffst du entscheidungen. du isst dieses oder jenes aus diesen oder jenen gründen, du kleidest dich in der und der art, diese musik musik hörst du lieber und steigst meistens von links auf dein fahrrad. warum? weil es sich besser anfühlt? weil es am naheliegendsten ist, es so zu tun? ravel ist zwar kitschig schön, aber du wirst dabei nicht melancholisch. die biologisch angebauten chamignons schmecken besser und manchmal präferierst du schwarz vor grau.

introduce you to a certain way of approaching things. i.d.r. vermittelt jemand etwas, gibt eine antwort
man hat sich daran gewöhnt klare antworten zu bekommen, positiv oder negativ. aber eben unterscheidbar. was heißt es, sich der eindeutigkeit zu verweigern? etwas ununterscheidbar zu belassen. etwas soll erscheinen.

die kirche des zweifels

die affirmative version der eindeutigkeitsverweigerung ist die bejahung der unentscheidbarkeit. in der regel werden situationen, aus denen es keine eindeutigen auswege gibt (--> aporie), schnell in profane sphären der pragmatik überführt: na dann entscheid dich halt für irgendwas und mach von da aus weiter. man glaubt an fortschritt. an ein weiterkommen, ein ziel. wenn es nicht erreicht werden kann, so lebe ich wenigstens für die annäherung. get rich or die tryin, wer nicht wagt, die nicht gewinnt usw.
der pragmatismus greift ein, wenn normen, gesetze und traditionen das handeln des individuums nicht mehr erfolgreich anleiten können. komplexe kausalzusammenhänge haben eine situation hervorgebracht, in der z.b. sich widersprechende regeln in ein dilemma führen. der ausweglosigkeit kann nur mit einem sprung entkommen werden und dieses springen heißt pragmatisch handeln.
die alternative handlung besteht darin, die spannung in einem paradoxon auszuhalten.

ein verdacht

unerkennbarkeit
problem der negation allgemein? ergeben sich die logischen problemen vielleicht mit jeder form der negation? und damit auch überhaupt mit allem eigentlich? fußt nicht letztlich deine ganze existenz auf dem verdacht, dass du überhaupt existierst? an dieser stelle könnte sich dein interesse für pragmatismen erklären. wenn das wort 'glauben' vermieden werden will, lässt sich von entscheidungen sprechen. du lässt dich auf die prämisse deines seins und also deines mit-seins (mit anderen) in dieser welt ein. dann hinterfragst du deine wahrnehmung und läufst in fiese sackgassen hinein. du akzeptierst die subjektivität deiner perspektive. aus pragmatischen gründen. die empirischen erfahrungen mit und als körper in der materiellen welt legen dir eine bestimmte haltung nahe. du kannst nicht fliegen usw. das kannst du anerkennen. gut. woher weißt du noch mal genau, dass das, was du für dein ich hältst, wirklich du bist?
was macht es für einen unterschied, lässt sich fragen. welche gedanken, handlungen etc. lassen dich einen unterschied erfahren? – unter der voraussetzung, dass du die wahrnehmung dieser unterschiede als tatsache anerkennst. wenn du einen unterschied feststellen kannst, warum entscheidest du dich dann genau in dieser weise? wenn du etwas auch anders machen/ denken/ finden etc. könntest, warum tust du es dann genau so?
an dieser stelle setzt eine interessante unsicherheit ein. dir fällt auf, dass es im grunde keinen unterschied macht, für was du dich entscheidest. in anderen fällen wäre eben [E]twas anders. auch wenn du die beurteilung und im grunde jede ethik zuförderst als geschmäcklerisch abtun willst, gibt entscheidungen die du auf so und so eine art triffst.
ist das schon eine individualistische ausartung? könnte hier nicht vielleicht eine portion fatalismus einen guten dienst erweisen? sich dem schicksal (h)ergeben.

was ist ein problem?

etwas, das im weg liegt. próblema (griechisch: das vorgeworfene, vor die füße geworfene): etwas, über das man stolpert, eine unterbrechung, eine hürde, um etwas zu erreichen/ erlangen. in diesem sprachlichen bild gibt es einen implizierten weg. die metapher 'etwas liegt im weg' deutet darüber hinaus ein ziel an, das aufgrund des problems nicht oder nur schwer erreicht werden kann. es ist unmöglich, sich nicht zu bewegen. schon allein aufgrund der tatsache, dass überhalb von null grad celvin, mindestens auf atomarer alles in bewegung ist. so können probleme also schon mal nicht vermieden werden. es ließe sich aber durchaus fragen, welche alternativen bewegungen – unabhängig von einem ziel – vorstellbar wären. und ob, wenn keine ziele formuliert werden, überhaupt noch von problemen die rede sein kann.
wikipedia schlägt vor, probleme in folgende teilaspekte zu zerlegen.

  • lösbarkeit
  • zerlegbarkeit
  • verwandheit
  • lösungsaufwand
  • subjektivität
hier wird das interesse an einer problemlösung impliziert. eine alternative aufteilung wäre:
  • nutzen
  • aporetisches potential
  • verharrungswiderstand
  • folgeprobleme

wie kannst du sicher feststellen, ob ein problem überhaupt (un)lösbar ist? du gelangst bei dieser überlegung sehr schnell zu der feststellung, dass es schwierig ist, überhaupt irgendetwas festzustellen. sehr schnell rutschst du die steile böschung hinab zum urgrund der existenz, zur ersten frage. —
die philosophie ist ein philosophisches problem.

lebensunfähige skepsis

Self-destruction charge: Suspension of judgement leads to selfdestruction (Pyrrho)

Animal charge: Action without assent is not the action of a rational being; at best it is the behavior of a no-rational sic animal (Academics)

Plant charge: Without assent, the sceptic is reduced to complete, i. e. plant-like, inactivity (Sextus)

Inconsistency charge: No matter what the sceptic professes, he at least sometimes assents (Sextus)

Paralysis charge: Without a practical criterion, the sceptic may not be able to choose one particular course of action. There is no way to settle on any one of several, mutually incompatible actions available at a given time (Academics and Sextus)

Eudaimonist charge: The sceptic cannot live a good life (Academics and Pyrrhonism) (vogt, 2010: 165–180)

lautes schweigen

nach schambehafteten berührungen stellt sich eine gemütliche resignation ein. viel zu viel der worte, die jeder doch nur an sich selber richtet. es bedarf einer vertrauensvollen stille, in der das sein ohne beschreibung erlaubt sein kann.

wir trafen uns am druckpunkt der revolution, die keine war. etwas gleichmäßiges, was vorab geschwindigkeit zu sein, umspülte unsere müden beine. wir schrien:
die sonne besteht aus 22 atomen.
es wird 22 dunkle nächte lang dauern, bis wir verstehen.
es würde 11 dunkle nächte lang dauern, bis wir verstanden. und 11 tage lang. und wir sprachen nicht. und wir sagten einander nicht, wie sehr wir uns doch auch liebten.
in der dürrsten trockenheit vergisst der mensch doch nicht, sich zu lieben. das herz kommt schlag auf schlag ohne diese erkenntnis vorwärts. die lungenflügel flattern weiter und das ganze sein kann doch sich treiben lassen im gleichförmig strömenden bluthaushalt. von oben nach unten, wieder hoch bis in die letzte entlegene windung der extremsten auswüchse. und dann noch mehr. mehr als das. ein über-sein.
wird mir endlich jemand bitte sagen, was wir hier verdammt noch mal tun? jede tradition scheint vergessen. das letzte moralische gesetz an den nagel gehängt. was ist denn nun schön, richtig, böse oder falsch? welches gefälschte leben lügt dich da an? die schiffbrüchigen vor dem erloschenen licht der liebe zur wahrheit? sie formen aus angeschwemmtem plastik ein goldenes kalb, das sich nicht melken lässt. aus durstigen kehlen erklingt pathetischer gesang. das übrige selbstmitleid nehmen die wellen zu sich.

zur skepsis

(1.) wenn jemand eine sache sucht, dann ist der zu erwartende erfolg entweder ihre entdeckung oder die verneinung ihrer entdeckung und das eingeständnis ihrer unerkennbarkeit oder die fortdauer der suche.
(2.) das ist vielleicht auch der grund, weshalb hinsichtlich der philosophischen forschungsgegenstände die einen behauptet haben, sie hätten das wahre gefunden, während die anderen er klärten, es lasse sich nicht erkennen, und die dritten noch suchen.
(sextus, 1985:93)
unterscheiden sich unerkennbarkeit und nicht-vorhandensein? von etwas, das unerkennbar ist, lässt sich nicht sagen, ob es nicht vorhanden ist. gibt es etwas, das über die abwesenheit von etwas auskunft geben kann? der ausdruck 'etwas unerkennbares' ist unlogisch. um sagen zu können, dass etwas unerkennbar ist, müsste bereits etwas erkannt worden sein. dass ist aber unter der voraussetzung der unerkanntheit ausgeschlossen. das wort 'unerkennbar' selbst ergibt schon keinen sinn. es lässt sich nicht sagen, ob es etwas gibt, das unerkennbar ist. dazu müsste ja erkennbar sein, dass es unerkennbar ist. 'unerkennbar' kann nur unter einem temporalen vorbehalt gültig sein: es ist noch nicht erkennbar, ob etwas unerkennbar ist. wird es irgendwann erkannt werden, kann nicht die rede davon sein: es war unerkennbar, bis wir erkannten. es ist allein möglich im plusquamperfekt zu formulieren: wir hatten es nicht erkannt. die unerkennbarkeit aber löst sich in dem moment des erkennens auf, sie selbst kann nie eingelöst werden. sie bleibt ein ewiges versprechen. diejenigen, die behaupten, es gäbe etwas das unerkennbar sei, sollen in die kirche gehen.
vom nicht-vorhandensein ist es nur möglich zu sprechen, wenn sich das nicht vorhandensein auf die wahrnehmung bezieht. etwas ist in meiner wahrnehmung nicht vorhanden, da wird nichts 'angezeigt'. das ausbleiben eines erwarteten sinnesreizes geht unter umständen gegen die gewohnheit. ob die gewohnheit oder das reiz-empfangs-instrument kaputt ist oder ob tatsächlich etwas nicht da gewesen ist, lässt sich nicht klären. im leben begegnet man diesem unvermögen meist mit pragmatischen konventionen.

literarische entfremdung

vorsicht. hier folgt eine überarbeitete re-appropriation von handkes »Halbschlafgeschichte (Entwurf zu einem Bildungsroman)«. jeder wird zu gleichen teilen seine autorenschaft abstreiten.

er schlägt die augen – sein erster gedanke gilt schon dem zweiten, der sich nicht einstellen will. im innersten ist etwas faul. nichtsdestoweniger geht er auf und davon. die versorgungsleitungen der sprenkleranlage. wenn die fahrbahn, fallen wildfremde menschen um. die menschheit wächst. gleichwohl nimmt er sich vor, die wahrheit über sich selbst nicht unerwartet. an der hausecke pfeifen. kann nicht ausbleiben, dass er eifersüchtig wird. niemand will seine geschichte. das brot. das hat er angeboten. er weicht aus: vor einem krüppel schlägt er die augen zu boden. bergab mit ihm. immer, wie früher von oben nach unten. mit der angst tun schweren gedanken nicht unrecht. zungenfehler glauben vielmehr sorglos den tag. statt gedanken tat? umgekehrt: er verschlingt, gewinnt erfahrung die vergeblich riecht. bibliothek im nebenraum. dadurch wird er in den gesichtern der leute passsieren. liebe kann ausbleiben. dass man sie macht, ungeachtet dessen, wenn es darauf ankam. mit der, die vor ihnen liegt, wissen sie nichts anzufangen. in einer windstillen zone. keine himmelskörper wenn er den blick hebt an eine mauer. der wind senkt den kopf; ihr wind schläft wenig und schlägt sich die nächte um die ohren. er ist kein unbeschriebenes blatt mehr. später befürchtung. im leben schwer haben, aus der luft die blicke der nachbarin. gehen wird auf dem rinnsteins heiß und kalt. viele formen zu gunsten werden, aufhalten.
etwas derangiert der gehsteig. abgehetzte hotelzimmer. zeugen der existenz. am frühen telefon. hier wollen sie? die stimme versucht eine unterscheidung. nicht nichts sagen? geräuschlos und schwierig, sagt sie. das unbewusste wird beschreiben können, wie die verneinung fest steht. zeichen erkannt. ein juckreiz der körperlosigkeit.

ergonomische erwägung

soll geben das auch es wobei. texte keine schreiben und innen_tänzer die wohl tanzen deshalb .werden übertragen da nach hier von anderen dem nach einer langwierig und geordnet müssen gedanken und gefühle meine .abbilden nicht sich lässt bewegung eine so. geschaut tippen und lesen beim bildschirm den auf kopf gesenktem mit zulang ich habe vielleicht .heraus aufwärtsbewegung dieser an interesse dem aus nur einfach. muss lesen oben nach unten von man dass, so ,schreiben rückwärts gerne ich würde gerade. unergonomisch so ist schreiben das.
werden gelesen oben nach unten von muss abschnitt dieser

»kann aber wohl der mensch dazu bestimmt sein, über irgendeinem zweck sich selbst zu versäumen?« friedrich schiller.

das hier könnte andré gide in den »Verliesen des Vatikans« gesagt haben bzw. den nonkonformen bruder lafcadio sagen haben lassen: wissen sie, was mir das schreiben so unerträglich macht? es sind die korrekturen, die streichungen, stilisierungen, denen man das geschriebene unterwirft. die schönheit des lebens besteht für mich darin, daß man aus dem stegreif agieren muss, das streichen ist da verboten. (gide, 1975: 69) ja, genau so ist es. das 'aus dem stegreif agieren' könnte man auch improvisation nennen. in den besten momenten bringt die improvisation einen dazu, sich selbst zu überraschen. sie produziert einen riss, eine entfremdung, eine andere perspektive, die sich von dem gewohnten und den geübten routinen abhebt. je fremder du dir in der improvistation bist, desto besser. wenn du von lafcadio liest, der seine existenz nach den gesetzen des zufalls aufs spiel setzt, denkst du wieder: wir sind in der regel viel zu höflich. zumindest oberflächlich. der eigentliche vorwurf wäre heuchelei.
das ganze moral-gehabe ist doch im kern sowieso immer egoistisch motiviert. altruismus. anderen helfen. die motivation zum handeln liegt im jetzt eines subjekts. im jetzt und hier entscheidet sich jemand, aus freude am wohl der anderen zuhilfe zu eilen. spricht ja auch gar nichts dagegen: die lust der kannibalin speist sich aus dem verlangen der mahlzeit, von ihr gegessen zu werden. die heuchelei besteht darin zu verschweigen, dass hilfe zu großen teilen selbsthilfe ist.

immer wenn wir über die dinge sprechen, ist das falsch. die sprache wird magisch im apell. was ist ein ereignis? wenn du sagst "komm her" und jemand kommt, entsteht ein ereignis, dass sich in die geschichte einschreibt. in der unterscheidung zwischen wiederholung und original. das original ist ein ereignis: du rufst etwas und es erscheint. alles beschreiben (statt rufen) ist eine reproduktion und kein ereignis. die aura ist die einschreibung in in einem gewissen raum zu einer gewissen zeit.

die anwesenheit des jetzt

wo sind wir, bevor überhaupt irgendetwas anderes ist? und zu welchem zeitpunkt sind wir dort? hic et nunc: hier und jetzt. eine fundamentale bedingung des menschseins. das jetzt als figur auf dem grund der zeit, das hier über allen anderen orten. unabhängig davon, wie genau wir das bild der welt in uns erzeugen, können wir sagen, dass der zeitpunkt der reflexion dieses bildes immer genau jetzt geschieht. auch das erinnern an die letzte betrachtung unserer welt findet zu diesem zeitpunkt statt. zu unserem zeitpunkt: dem jetzt. wenn wir träumen, phantasieren, uns forttreiben lassen, werden diese dinge stets vom selben standpunkt aus initiiert. wir können nicht anders, als anwesend zu sein – da und dann, wann wir sind.

anwesenheit vermitteln

wenn wir in den wald hinein rufen, erfahren wir zum ersten mal, wie ein teil von uns aus der gefangenschaft des jetzt ausbricht. der schall trägt unsere botschaft mit 330 metern pro sekunde durch die luft. einer lauten stimme ist es möglich, für vielleicht eine sekunde aus dem jetzt herauszutreten. wir erweitern uns in die zeit hinein und erleben eine handlungsmacht über das jetzt hinaus. das echo als körpererweiterung funktioniert im übertragenen sinne in der kommunikation nach dem gleichen prinzip: durch die erhaltene antwort oder die eingetretene verabredung wird deine existenz zeitlich und räumlich erweitert. etwas oder jemanden erscheinen lassen: magie.
mit der erfindung der schrift eröffnet sich auf diesem feld eine unergründbar große zukunft. der mensch, das zeitüberbrückende tier, ist in der lage, über große zeiträume hinweg nachrichten zu übermitteln. in the beginning was the word and the word was god and has remained one of the mysteries ever since. the word was god and the word was flesh we are told. in the beginning of what exactly was this beginning word? in the beginning of written history. (burroughs 1970: 4)
texttafel typographisch verspielt: versuchten die beiden mehrfach zueinander zukommen [filmstill alexander kluge]
es ist als senderin möglich, seine anwesenheit in ein anderes jetzt und ein anderes hier zu vermitteln. doch wie verhält es sich aber mit dem empfangen? es gibt hier ein interessantes verhältnis zwischen wahrnehmen und erinnern. eine botschaft empfangen, das heißt wahrnehmen, kannst du immer nur bei dir. da ihr im hier und jetzt gefesselt seid, vollzieht sich auch die sinnesempfindung dort. es setzt sich also im moment des eintreffenden reizes, eine vorstellung dieser wahrnehmung in eurem geist zusammen. ihr begegnet beispielsweise fußspuren auf einem spaziergang. die spuren entspringen eindeutig der vergangenheit und doch seht ihr dieselben erst und genau jetzt. ihr könnt den abdruck im boden als fußspuren erkennnen, da sich zur selben zeit euer gedächtnis meldet, um euch mitzuteilen, dass die empfindung übereinstimmend ist mit einem schon vorliegenden wahrnehmungsmuster. vielleicht erkennt ihr sogar, dass es eure eigenen hinterlassenschaften sind, dass ihr im kreis gelaufen seid. es ist euch in der regel möglich, ganz mühelos zwischen einer anderen zeit und dem jetzt zu unterscheiden. das erinnern ist ein seltsamer zustand. es bedeutet zur selben zeit an zwei unterschiedlichen zeitpunkten sein.
1. das jetzt des subjekts: der zeitpunkt des erinnerns.
2. das subjekt zum (jetzt-)zeitpunkt der wahrnehmung, an die es sich erinnert.
jede empfindung ist einmalig. die wahrnehmung findet in einem einzigartigen kontext zu nur einem zeitpunkt statt. jedes subjekt im 'publikum' und die wahrgenommene 'inszenierung' sind insofern schon singulär, da sie zu genau diesem zeitpunkt an keinem anderen ort sein können (als der wahrnehmung). so lange die perzeption in raum und zeit eindeutig bestimmt werden kann, wird auch der einsatz von tele-medien an dem phänomen (vorerst) nichts ändern.

die neue langweile

wir akzeptieren die beschränktheit unserer kunst aber in unserer beschränkung genießen wir absolute freiheit.
wir nehmen zur kenntnis, dass unsere taten auf der kunst unserer vorfahren beruhen.
die meiste kontemporäre kunst ist positiv, unsere kunst wird negativ sein.
widersprüche sind die grundlage allen denkens, plagiaterie ist die moderne ästhetik.
wir glauben ein*e jede*r hat das potential zum unglücklichsein.
wir sind unglücklich mit kopien. originalität ist keine konsequenz, wir suchen leere ideen und aktionen.
veränderung bedeutet nicht notwendigerweise fortschritt. das neue soll die massen langweilen.
persönliche integrität ist wichtiger als künstlerische integrität.
wir werden negativ sein. künstler*innen sind so fehlbar wie jede*r andere. wir sind nichts und verweigern uns der zukunft.
die tradition der avantgarde ist 100 jahre alt. es hat sich nichts geändert.
die anti-kunst der futuristen und dadaisten (und futuristinnen und dadaistinnen) wird wie davor und weiterhin von kulturschaffenden wiederholt.
aus revolutionären akten werden (avant-gardistische) traditionen.
es muss mehr krankes, perverses, pornographisches und brutales im leben geben. die kunst darf davon absehen.
die künstler*innen können ihre arbeit selbst nicht beurteilen. noch weniger kann das publikum darüber richten und zu den bedeutungen vordringen.
wäre das leben einfach, würden wir keinen gefallen daran finden.
wenn wir etwas gefunden hätten, das uns geschmeckt hätte, hätten wir uns wie alle anderen vollgefressen auf das sofa gesetzt.

nichts als sekunden

die zeit bewegt sich spiralförmig um die gegenwart herum. eine konzentrische verlangsamung. warum sollten sekunden, minuten, stunden, tage, monate, jahreszeiten etc. im kreis laufen, sich ständig wiederholen, aber das jahr eine ausnahme sein? happy 1577833200. das ist der unix zeitstempel des ersten tages im sog. jahr 2020. seit dem 01.01.1970 wird uns eine zeitrechnung vorgeschlagen, die ein eindrückliches symbol des technokratischen fortschrittsglaubens ist. sekunde um sekunde wächst die unix-epoch-zahl, die sich nur so ungefähr um den human-heliozentrischen rhythmus schert. von den praktischen problemen abgesehen – die 32-bit variante des unix-zeitstempels schickt uns im jahr 2038 an den beginn des 20. jahrhundert zurück (was für eine schöne vorstellung!) zur erklärung: die größte darstellbare zahl in 32-bit ist 2147483647. das heißt, 2147483647 + 1 sekunden nach dem 01.01.1970 00:00:00 uhr tritt ein sog. overflow ein. die binäre zahl springt von 01111111 11111111 11111111 11111111 auf 10000000 00000000 00000000 00000000 um, in dezimalzahlen: −2147483648. umgerechnet entspricht das dem datum 13.12.1901 um 20:45:52 uhr.
in der stetigen progression der zeit gibt es bedingt durch eine kurzsichtige technische implementierung eine unfreiwillige widerkehr. obwohl eine immerzu wachsende zahl eigentlich etwas ganz anders verspricht: alles immer ständig neu. die behauptung erscheint besonders absurd vor dem hintergrund, dass eines der relevantesten themen in der digital-späre zur zeit das machine learning ist. im kern bedeutet das: die zukunft aus der vergangenheit herstellen. alles neue ist eine variante etwas schon erlebten. memo akten zeigt das in seiner arbeit "learning to See" installationsansicht der arbeit 'learning to see' von memo akten: ein mit blumenbildern trainiertes programm
		      interpretiert das bild von kabelknäulen. die interpretation sind seltsame, generierte pseudo-blumen das bild der kabelassemblage wird das eingangssignal für ein sog. neuronales netz, dass zuvor ausschließlich mit bildern von blumen trainiert wurde. rechts ist die, auf dieser erfahrung beruhende visualisierte 'interpretation' des kabelbildes zu sehen. das programm versucht etwas zu erkennen. was wird da gezeigt? es untersucht die merkmale des eingegebenen bildes und gleicht sie mit seiner datenbank ab. da in den trainingsdaten keine bilder von kabeln und kopfhörern vorhanden waren, sucht das neuronale netz nach entsprechenden mustern in seinem speicher. das rechte bild der blumen wird anhand der gemessenen daten (wie sind die kontrastverhältnisse, welche konturen sind in welcher anordnung vorhanden etc.) erzeugt. die repräsentation des inneren erkenntniszustands des neuronalen netz' – unabhängig davon, was sie tatsächlich über das sehen und verstehen des programms auszusagen vermag – ist eine schöne allegorie für das verhältnis zwischen den inneren bildern einer äußeren welt. memo akten führt dem publikum vor augen, dass es eine diskrepanz gibt, zwischen dem, wie die welt aussieht und dem, was wir von der welt sehen.

cogitagoraphobie oder: das fürchten vor der weite des denkraumes.

schon der antike philosoph epiktet lehrt die furcht vor der furcht (vor dem tod: wenn du lebst, ist der tod nicht da. und wenn du tod bist, spielt es keine rolle (oder: wo der tod ist, da bin ich nicht – und wo ich bin, da ist der tod nicht.)). allgemeiner gesagt, sind es nicht die dinge, sondern unsere vorstellung der dinge vor denen wir uns fürchten.
gibt es eine vorstellung vom denken? wie stelle ich mir das denken vor? oder stellt das denken sich selbst vor? würde das denken sich sich selbst vorstellen, müsste es zur gleichen zeit ein objekt und eine tätigkeit sein. darin könnte sich eine zentrale schwierigkeit verbergen: 'verb sein' ist ein superlativer sackgassenzustand. verb zum quadrat gibt es nicht. jedes tun ist singulär. die verallgemeinerung als begriff oder definition kann nichts über das konkrete ereignis des tuns aussagen. es regt nur eine bestimmte vorstellung des tuns an, regt also zum tun an, zum selber tun. substantive sind wie gefrorene verben. regieanweisungen. wir leben zwischen den begriffen umher, bewegen uns je ein verb weiter vor oder: unsere vornehmste pflicht ist es zu leben. sich das denken vorzustellen ist unmöglich. es gibt aber trotzdem eine vorstellung vom denken. die läßt sich vorstellen, aber hat nichts mit dem denken zu tun. wir können uns ein bild vom inneren unserer augen machen, trotzdem können wir es nicht sehen. [es gibt die behauptung, manche, durch psychoaktive substanzen hervorgerufene halluzinazionen würden die architektur des visuellen cortex darstellen oder repräsentieren. selbst wenn dem so sei, wäre diese halluzinazion eben eine halluzinazion und etwas anderes, als sehen.]
man kann sich entwerder fürchten, oder denken.

wesen des zufalls. das denken hängt vom wetter ab.

du schlägst die augen auf und rüdiger safranski liegt dir im ohr. du denkst an nietzsches inneres qualitätsmanagement. ein guter gedanke kann die schmerzen und leiden der welt aufwiegen. er bildet ein inneres gegengewicht. nicht die wahrheit, sondern ein bedürfnis nach gleichgewicht treibt das suchen nach wertvollen gedanken an. nietzsche bewegt sich durch die welt wie ein geistes-connaisseur. gedanken werden dahingehend gekostet, ob sie eine anregende wirkung entfalten und der dunkelen seite der seele genügend gegengewicht entgegenbringen können.

rüdiger safranski mit alexander kluge im gespräch über nietzsche: "wir haben das problem, dass wir denken, es kommt jetzt vor allem darauf an, ob über etwas richtig nachgedacht worden ist. darauf kam es dem nietzsche ja auch an, er wollte ja etwas herausbekommen. aber mehr noch kam es ihm darauf an, auf den denkakt selbst. auf diesen eigenartigen zustand der intensität, dass sich gegenüber dem was ist und was auch mit einem selber der fall ist, noch so eine zweite dimension der selbstsichtbarkeit im medium der sprache – 'ne ganz schwierige sache – eröffnet. es kommt nicht nur darauf an etwas rauszubekommen, sondern sich durch das denken in einen zustand der intensität zu versetzen."

aus »wahrheit und lüge im außermoralischen sinne« (nietzsche)

könnten wir uns aber mit der mücke verständigen, so würden wir vernehmen, dass auch sie mit diesem pathos durch die luft schwimmt und in sich das fliegende centrum dieser welt fühlt. es ist nichts so verwerflich und gering in der natur, was nicht durch einen kleinen anhauch jener kraft des erkennens sofort wie ein schlauch aufgeschwellt würde; und wie jeder lastträger seinen bewunderer haben will, so meint gar der stolzeste mensch, der philosoph, von allen seiten die augen des weltalls teleskopisch auf sein handeln und denken gerichtet zu sehen.

perfekte prothesen

und dann stehst du da und starrst aus dem fenster.
und du legst dir die sätze zurecht.
gegenüber tritt eine frau auf den balkon. sie setzt sich hin und wendet sich der morgensonne zu. sie steckt sich eine zigarette an. warum ist es so schwer, einfach dazusitzen? und bis auf da sitzen und sich die sonne ins gesicht scheinen zu lassen einfach nichts zu tun. die ungeduld, der permanente energieüberfluss, die unnötige größe des menschlichen gehirns und der opponierbare daumen: ein fluch. sobald alle bedürfnisse befriedigt sind, wächst die unzufriedenheit ins unermessliche. je weniger noch aufzuholen ist gegenüber ausstehendem verlangen, desto größer wird die unzufriedenheit und ungeduld.
der abstrakte groll, hass, die abscheu richtet sich gegen nichts bestimmtes. wenn es die kultur und die menschen wären, könntest du dich irgendwo in ein unkultiviertes stück land hineinpflanzen und einfach die schnauze halten. nichts mehr sagen, nicht mehr sprechen.
einatmen, ausatmen, stoffwechsel, einatmen, ausatmen, schlafen, sex, einatmen, ausatmen, schlafen, stoffwechsel, einatmen, sex, atmen, sex, schlafen, atmen, stoffwechsel usw.
du lebst wie ein unaufrichtiges tier.
du lebst wie ein tier und bist zu unaufrichtig, um ein tier sein zu können. du folgst den erwartungen; jeglicher widerstand gegen diese ansprüche ist reine maskerade. der vermeintliche ekel ist in wahrheit nur die scham gegenüber deiner eigenen empfindlichkeiten.
deiner ausgestellten abneigung gegenüber dem kreativen akt wirst du nicht gerecht. immer wieder fängst du an, dich zu äußern. fängst du an, zu sprechen. fängst du an, zu schreiben. die maßlose ungeduld und deine eigenen ansprüche vertragen sich nicht miteinander. deine undiszipliniertheit und ungenauigkeit im denken, deine sprunghaftigkeit, deine zerstreutheit behindern dich.
du läufst herum mit einer perfekten prothese und hast angst, dir könnte jemand die hose herunterziehen. es funktioniert doch mit deiner prothese. und doch spürst du eine art phantomschmerz. und dann stellst du fest: das ist überhaupt keine prothese und die schmerzen waren immer nur das verlangen nach etwas anderem. an dieser sehnsucht zerreist du, weil du nie dort bist, wo du sein willst und nie dort sein willst, wo du bist.

du lebst wie ein tier. aber bist zu unaufrichtig, um ganz tier zu sein. du bist freundlich, höflich obwohl in deinem inneren die ganze häßlichkeit der welt gerinnt. du machst was man von dir erwartet und leistest dir zum schein ein paar widerspenstige ornamente. du bist nicht das fell, das du trägst. dir schmeckt nicht, was du isst, du verabscheust, was du tust, du langweilst dich. und bist vielleicht einfach nur zu höflich oder vielleicht auch einfach nur zu feige, das ganze hier und jetzt zu beenden. du blickst aus dem fenster, siehst die durchdringende wintersonne durch die kahlen skelette der bäume strahlen und du denkst: das ist ein schönes licht. die farbe des himmels, das ist ein schönes blau. dagegen gibt es nichts einzuwenden. die einfachheit dieser empfindung, die anerkennung dieser simplen schönheit dringt nicht zu dir vor. lässt dich kalt. es ist, als würde dieses bild dein auge nicht verlassen. und das auge kann nicht fühlen. das auge empfindet nichts. so schaust du dir beim zuschauen zu und denkst: was müssten das für schöne gefühle sein. und das gefühl bleibt aus.

leben als ornament

screenshot einer fußnote der labor-website bzgl. eines zitats von maslow

das war schon einmal thema.

ein verdacht ist ein verdacht

»gut ist es, an andern sich zu halten, den keiner trägt das leben allein.« — sagt friedrich hölderlin

noch nicht angefangen heißt auch: noch nicht zweifeln. noch nicht an ein scheitern denken.
das schreiben reflektiert kritisch. wenn es erfolgreich abgeschlossen werden kann, ist das resultat gleichzeitig der gegenbeweis; oder zeugnis einer entscheidung im unentscheidbaren.

(23:41)

man du er ich. purpurfarben nicht dazugehören.
sie lässt sich nicht stören. papier.
unsauber ausgesprochenes adverb. ein versuch.
helden im samtsack. aufbrausen. mauern um das wesentliche. herkonstruieren.
verlorener absatz. aufzug.
anflug von hilflosigkeit. genau da. unter rotem himmel. geteilt.
verliert eine haltung. herrenhemden.
versteckte armut im herzen. hass.

klammern an salz. geschmacksverstärker. honig und senf. lebenswert im klassischen sinn. räucherlachs.
verlorene handschrift. vertäfelung. eine bucht. es brennt. die bierbrauererei im hafen.
halt mich fest. fenster.
aufmerksam hinsetzen. mit stiefeln im obergeschoss drapiert.
leichtbauweise auf kommando vom wesentlichen getrennt.
so entsteht eine geschichte. am ende.

zungenspender. der schrei am ende des tunnels. die hose voll. bewölkt.
vertrauen ist seismographische gefühlsallianz. hinterher revidieren.
verdoppelte leichtgläubigkeit. angetanzt. sex. eingetütet.
aufmarsch, anmarsch, aschenbecher.
abmarsch. arschkriechen. maschendraht.
massengrab.
zusammenhalt eingeschweißt.
scheuermilch im abendland. hetzen. gesichter von geschwistern. abgewezt. aschenputtel?
verletzte schweißperlen. tauschwert: abgang. abserviert. taback aus gerauchten zigaretten sammeln. schnell noch zu kodi. für einen euro für neunundneunzig cent.
geiler fuchs. wegtreten.
ein schächtelchen vom schlachthof. geschenkt.
warenförmige wohlfahrt. frieden.

hoffnung maßgeschneidert. auf anfrage. chefsache.
aktentasche. jetzt auch mit brautkleid. fleckenficken.
der arm ist krank. tja. maul halten. heizöl to go. wir liefern.
bester abgeschmack in town. fußläufig.
platzangst in bester lage. beim helfen helfen. hilfe.
haltbarkeit als endzeitdroge. dosenbier.
veranstaltungsfachkraft. fein filetiert.
verzerrte träume. fiebermessen.
farbige schleifspuren. verdächtig.
verlassene fließbänder. ökonomisch.
starte dein eigenes ding dong. noch heute.
leidkultur. leicht verfremdet.

sandfarbene backsteingebäude mit hinterhof. bewohnbar.
bau auf dein glück. kein blick zurück.
aufsetzen, ranrücken, abdrücken.
ein herz für tiere. mit niveau.
die wasserspender kriechen zum ausgang. notoperation.
halsband.
xenophobe symbole.
abgehobene garderobe.
offene terrassentür. vorübergehen.
modeerscheinung zum mitnehmen. gratis und kostenlos.
verschwende mich. ich schreib einen scheck.

abgetragene sonnenbrille sucht schleichweg für lebensabend.
bitte melden. vermisst.
ritzen mit sekt. kaltmiete.
hängende gärten.
gallensteine.
sternschnuppenwarte.
posterboy mit styropor.
verlassen sie uns bald wieder.
fransen.
fasane. freilassen.
kichern.
schluckauf.

die Fähigkeit dazusein verlieren. sich verschwenden. aus einer anderen perspektive. Gelächter. berlin. verlorene gehirne. geisteskranke.
ganz am rand stehen. steine in scherben.
verlorene beschreibung. bescheinigung. beschimpfen.
den huf in der tür, langfristige investition.
verlieren und absteigen – verliere. absteige‎. abgestiegen.
verlagern und flyer drucken.
pfingsten. zum wohle aller.

verklebte erinnerungen.
errungenschaften einkleben.
abgeordnete salutieren.

verheulte gesichter. krampfadern den kampf ansagen.
spießerspeichel tropft auf asphalt.
das maß ist voll.

bespucken und beschmutzen. beschützen und entrüsten.
verbandskasten. ortsunabhängig.
einem verkauften gaul weint man nicht hinterher.

potentielle begabung

suche schon ewig nach einer textstelle, die mir im kopf (ungefähr) geblieben ist, ich aber leider nicht markiert habe. hier ist erst mal eine andere aus 'der unendliche spass'/ 'infinit jest' von david foster wallace. (foster wallace, 2015: 241f) »[...]voller angst davor, meinem verbliebenen talent die eine verdiente chance zu geben. talent ist seine eigene erwartung, jim: du wirst ihm gerecht, oder es macht winke winke und verschwindet auf nimmerwiedersehen. friss oder stirb, sagte er über die zeitung hinweg.
ich ... ich hab einfach angst davor, dass auf meinem grabstein mal steht hier liegt ein vielversprechender alter mann. es ... begabung kann schlimmer sein als keine, jim. als von vornherein kein talent zu haben, das man vergeuden könnte, herumzugammeln und zu picheln, weil ich nicht den mumm habe ... mein gott, es, es tut mir so leid. jim. ich habe solche angst zu sterben, ohne je richtig erkannt worden zu sein. verstehst du das?«
»afraid to give my last talent the one shot it demanded. talent is its own expectation, jim: you either live up to it or it waves a hankie, receding forever. use it or lose it, he'd say over the newspaper. i'm ... i'm just afraid of having a tombstone that says here lies a promising old man. it's ... potential may be worse than none, jim. than no talent to fritter in the first place, lying around guzzling because i haven't the balls to ... god i'm i'm so sorry. jim. you don't deserve to see me like this. i'm so scared, jim. i'm so scared of dying without ever being really seen. can you understand?« ist das übersetzten von balls mit mumm eine gender-pc aktion? ansonsten hätte man doch schon auch einfach eier schreiben können. interessant ist ja auch die übersetzung potential -> begabung. begabung würdest du mit 'gift' im englischen ausdrücken. der unterschied zwischen potential may be worse than none und gift may be worse than none liegt im genus verbi. die be-gabung: eine göttliche beschenkung des subjekts, die einen die befähigung zu etwas er-leiden lässt. die begabung muss nicht erfüllt werden, sie ist einfach da. im gegensatz dazu ist das potential eine indirekte handlungsanweisung, die aktiv verwirklicht werden muss. das nicht ausführen des auftrags ist ein direktes scheitern am potential. das potential lässt sich erarbeiten. mit dem besteigen eines berges erlangt man das potential mit freude hinunterrodeln zu dürfen.
die begabung hingegen lässt sich nicht selbst erwerben. ohne eigenes zutun ist man im besitz dieser gabe. aus 'eine gewisse unmögliche möglichkeit, vom ereignis zu sprechen' (derrida 2003: 27f): damit eine gabe möglich ist, damit das ereignis der gabe möglich ist, muss es sich in gewisser weise als unmöglich ankündigen. warum? wenn ich dem anderen aus dankbarkeit etwas schenke, im tausch gegen einen geleisteten dienst, dann hat keine gabe statt. wenn ich umgekehrt vom anderen ein zeichen des danks erwarte, wenn ich erwarte, dass er sich auf die eine oder andere weise, symbolisch, materiell oder physisch, für meine gabe erkenntlich zeigt, dass er mir im tausch dafür etwas zurückgibt, dann hat ebenfalls keine gabe statt. selbst wenn es sich um ein rein symbolisches zeichen handelt, macht der dank die gabe zunichte. die gabe muss über den dank hinausreichen. in gewisser weise darf der andere, wenn er in der lage sein soll, zu empfangen, noch nicht einmal wissen, dass ich ihm gebe, denn sobald er es weiß, ist er im zirkel der dankbarkeit und der erkenntlichkeit gefangen und macht die gabe zunichte. ebenso darf ich im grenzfall noch nicht einmal selbst wissen, dass ich gebe. »begabung kann schlimmer sein als keine.« ist also nur wahr, insofern begabung = talent und: »talent [...] seine eigene erwartung« ist. das führt aber zu einem widerspruch, wenn begabung eine gabe und so von der eigenen erwartung unabhängig ist. diesem widerspruch wäre der übersetzer ulrich blumenbach entgangen, hätte er potential nicht mit begabung ersetzt.

das denken kommt abhanden

du denkst einen gedanken. solange du nicht an das gedanken denken denkst, ist alles in bester ordnung. es denkt sich von allein so vor sich hin. wirst du dir aber dann bewusst, was da gerade vor sich geht, denkst du also über das denken nach, findest du dich selbst vor einem großen spiegel wieder, der dir dich selbst beim denken zeigt. blickst du hinein in den spiegel, und das lässt sich überhaupt nicht vermeiden, siehst du überall diese kleinen regungen. es zucken die finger, kräuseln die mundwinkel oder die augen schauen so herum – fangst du also an, über die bewegungen des denkens und das, was das denken bewegt, nachzudenken, fällt alles denken in sich zusammen und du siehst nurmehr diese körperliche geistesarbeit losgelöst von dem ursprünglichen gedanken sich vollziehen. alles denken ist dann auf das denkende spiegelbild gerichtet, das nicht wirklich ein spiegelbild ist, sondern vielmehr eine fiktive projektion der jetzigen vergangenheit.

desubstantivierung

desubstantivierung des tages: besen.
das besen als tätigkeit beschreibt im unterschied zum fegen einen vorgang, der sich allein auf den umgang mit dem bes-gerät bezieht. was beim besen gebest wird, ist dabei vollkommen irrelevant. es geht vielmehr um das konzentrierte hantieren mit einem besefähigen werkzeug.

erkennen lässt trauern

das hoffen auf ein scharfes, den gordischen knoten zu durchtrennen vermögendes schwert ist trauerarbeit an der unbequemen erkenntnis ebendieser illusion.
ein möglicher einstiegspunkt in die interpretation wäre: trauer über den zeitpunkt der erkenntnis bzw. über die vergangenheit, die ohne diese erkenntnis gelebt wurde. daran direkt anschließen könnte dann die trauer über das trauern, also die verschwendete zeit, die man mit der erkenntnis verbracht hat.
eine wichtige unterscheidung wäre hier: trauer und reue. reue bezieht sich immer auf das eigene tun. im engeren sinne wird eine entscheidung bereut, dieses und nicht jenes getan zu haben. die konsequenzen der handlung, die auf der 'falschen' entscheidung beruht, regen zur reue an. im grunde genommen eine vollkommen nutzlose tätigkeit, eine abgeschlossene handlung in der vergangenheit zu beklagen. es kann die vergangenheit ja nunmal nicht geändert werden. andererseits scheint die reue ein vielversprechender hinweis auf einen lernprozess, der auf andere entscheidungen in ähnlichen, zukünftigen situationen hoffen lässt. aus diesem grund wirkt sich eine ausgestellte reumütigkeit in juristischen verfahren, sofern glaubhaft vermittelt, für die verteidigung positiv aus. betrauern lässt sich auch jenes, welches über die eigene handlungsmacht hinausgeht.
die schwierigkeit liegt im zeitlichen aspekt einer erkenntnis: du bist in die voraussetzungen dieses erkennens bereits eingebunden, bevor du diese eingebundenheit reflektieren kannst.

choice but move

das »war games« zitat im text ist eigentlich falsch. im original heißt es:
THE ONLY WINNING MOVE IS NOT TO PLAY. still aus wargames: computer terminal mit zitat der einsatz von 'choice' statt 'move' ist insofern interessant, als dass hier die reflexion von entscheidungen ein zentraler sein soll: entscheidungen treffen ist der kern des komponierens. hinsichtlich der komposition wichtiges von unwichtigem unterscheiden und das, was übrig bleibt? dramaturgisieren.
der ursprung von sinn (-haftigkeit) ist die art und weise, wie unterschieden wird. in welchem zusammenhang steht das handeln mit dem handlungsresultat?

das ende der fahnenstange lässt sich von oben nicht beschreiben

vierzig seiten lyrik oder unendliche topflapen ohne garn auf dem mars.
erst im nachhinein lässt sich sagen, was der kern gewesen sein wird.
kerne finden ist etwas für hühner. und selbst die hühner wissen vorher nicht, wo man die findet. will ich den kern finden? solange ich den kern nicht gefunden habe, kann ich nicht darüber schreiben. sobald ich ihn gefunden habe, will ich ich nicht mehr darüber schreiben.

was spricht für einen genrebegriff?
das genre beschreibt den kontext anhand dessen spezifische vergleiche möglich werden. vergleichen heißt: unterscheiden und wiedererkennen. es heißt also: identifizieren. mit der identifikation ist die grundlage für eine kommunikation geschaffen. der kontext schlägt dafür ein bestimmtes vokabular und mögliche bedeutungen vor. mit einer gemeinsamen sprache erhält die interpret*in einen zugang zum werk, wie zu lesen oder zu hören wäre.

schwellenereignisse

beim komponieren sind die schwellen, die übergänge am wichtigsten. wie, an welcher stelle wird ein klang geändert? in der künstlichkeit von elektronisch erzeugten klängen sind physische oder physikalische einflüsse nur bedingt einschränkend. das die der instrumentalist*in wird irgendwann vor erschöpfung zusammenbrechen, ihre notdurft verrichten oder etwas trinken müssen. spätestens dann ist der ton verklungen. der zusammenhang von klängen aus lautsprechern und der produktion elektrischer versorgung sind in der regel zwei von einander getrennte phänomene.

»aus dem erfahrungskreise der schwelle hat das tor sich entwickelt, das den verwandelt, der unter seiner wölbung hindurchschreitet.« (benjamin 1991: 1025)

the only winning choice is not to play

kunst braucht keiner. außer die kunst der genies, will man kants beurteilung glauben schenken. nur sie, die verkörperte naturgewalt – die besessene künstler*in – kann ein legitimes, anschauenswertes, ästhetisches kontemplationsobjekt schaffen.
kunst als wetzstein der ästhetischen urteilskraft, als ausbildungsobjekt des guten geschmacks. sobald die urteilskraft vollständig ausgebildet ist, kann die kunst wie wittgensteins leiter weggeworfen werden. gerüstet ist das subjekt nun bereit für die konfrontation mit der ästhetischen erfahrung des richtigen und wahren lebens. eine urteilskraft, die dialektisch sein soll, muß zuvörderst vernünftelnd sein.
»der geschmack ist, so wie die urteilskraft überhaupt die disziplin (oder zucht) des genies [..] und, indem er klarheit und ordnung in die gedankenfülle hineinbringt, macht er die ideen haltbar, eines daurenden zugleich auch allgemeinen beifalls, der nachfolge anderer, und einer immer fortschreitenden kultur, fähig.« (kant 1995: a201/b203)

geben sie ihre geheimzahl ein oder: das/der/die andere

welche perspektive sollen die rezipientinnen einnehmen? zwischen der humanistischen perspektive beuys: "jeder mensch ist ein künstler" und der ignoranz einer genesis p-orridge: "the people in the audience were just guinea pigs to us" spannt sich ein feld der (anti-) antizpierten rezeptionshaltungen auf.
[aus einem tony oursler interview mit genesis p-orridge]
sofern das publikum nicht egal ist, lässt sich die frage der vermittlung nicht allein aus der produzierenden perspektive heraus klären. andererseits kann die vermittlung als problemstellung vollkommen ignoriert werden, wenn die empfänger*innen-seite ausgeblendet wird.
von welcher erkenntnis kann dann innerhalb einer epistemologischen motivation die rede sein? publikum als potentielles erkenntnissubjekt wird a) das werk, b) die künstler*in, c) die rezipient*in. folglich schließen sich erkenntnisinteresse und publikums-ignoranz aus.

ohnmacht der macht und macht der ohnmacht

die soziologische beschreibung der intellektuellen: der "frei schwebende geist". in wieweit lässt sich wissen/ wissenschaft/ kunst/ künstlerisches tun in der sphäre des privaten halten? wenn jemand als privatier philosophiert, argumentiert und nachdenkt, sind die resultate nicht mehr mit dem etikett der privatheit unter kontrolle zu halten. denken ist immer eine (gesellschaftliche) intervention, ohne, dass sich daraus notwendigerweise eine verantwortung gegenüber der denk-gegenstände ergibt. die unabhängigkeit der denker*innen wird in der bodenlosigkeit begründet. unabhänigkeit wächst antiproportional zur machtlosigkeit. (siehe napoleon, beethoven und die diffarmierung der intellektuellen).
das heißt: die "wirkung von" ist mit der "wirkung in" inhärent verknüpft. in gleichem maße, wie z.b. masse von dichte und volumen abhängt, ist die bedeutung eines werks an sowohl die produktions-, als auch die rezeptionsperspektive gekoppelt.

am pol der entwicklung des systems verschiebt sich durch den erfolg selbst der getrennten produktion als produktion des getrennten die grunderfahrung, die in den urgesellschaften mit einer hauptarbeit verbunden war, hin zur nichtarbeit und zur untätigkeit. doch ist diese untätigkeit mitnichten von der produktionstätigkeit befreit: sie hängt von ihr ab, sie ist unruhige und bewundernde unterwerfung unter die erfordernisse und ergebnisse der produktion; sie ist selbst ein produkt von deren rationalität. außerhalb der tätigkeit kann es keine freiheit geben, und im rahmen des spektakels wird jede tätigkeit verneint, genauso wie die wirkliche tätigkeit vollständig für den globalen aufbau dieses ergebnisses aufgefangen worden ist. daher ist die heutige »befreiung von der arbeit«, die ausdehnung der freizeit, keineswegs befreiung in der arbeit oder befreiung einer durch diese arbeit geformten welt. nichts von der in der arbeit gestohlenen tätigkeit kann sich in der unterwerfung unter ihr ergebnis wiederfinden.

(debord 1996: 24f)

die unmöglichkeit der abwesenheit des jenseits

den ausgangspunkt der hier angeführten gedanken bildete ein interesse an unzugänglichen, unfassbaren, unvermittelbaren dingen. insbesondere war es das interesse an der vorsilbe "un".
das un-. als spiegelachse, als negations-operator oder viel mehr als eine anti-affirmation, auf dessen spuren du in seltsame grenzgebiete vorgedrungen bist. staatenlose schwellenländer sozusagen. am anfang der betrachtungen stand der übergang von diskreten ereignissen zu kontinuen. deine faszination galt dabei der idee, dass der zustand – diskret oder kontinuierlich – maßgeblich von dem betrachtungsabstand bzw. -modus abhänig ist. ein beispiel sind die 24 einzelbilder des films, die sich im kino in einen fließenden erzählstrang mit liebe leiden usw. verwandeln. innerhalb der narration ergeben sich natürlich erneut sprünge und kontinua, die ihrerseits z.b. beim vorspulen des films verschwimmen.
es ist unmöglich, sich den ganzen diffusen unsagbarkeiten und anderen un-dingen zu nähern, ohne genau das un-ige daran zu zerstören. das verfüherische moment, das hat auch die psychoanalyse gezeigt, liegt in dem potential der enthüllung und kann sich nur dort entfalten. eigentlich nichts neues: seit hunderten, wenn nicht tausenden von jahren zeigen und beschreiben philosoph*innen und lyriker*innen das handwerk der dichter*innen als eine kunst der möglichst guten andeutung.
interessant ist, dass der versuch einer explizierung von diesen geheimen, erhabenen und ungreifbaren momenten in genau jener sprachlosigkeit mündet, in der du dich allzuoft wiedergefunden hast.
die pragmatische lösung, das dilemma durch die reflexion der situation an den eigenen haaren aus dem sumpf zu ziehen funktioniert, wird aber mit der zeit etwas einseitig. denn dem dilemma in seiner größe und intensität wird das monotone reflektieren nicht gerecht.
was also als material bleibt, ist das scheitern, das du als einen konstanten alchemistischen sisyphus-akt auszustellen versuchst. als ein versagen der stimme hinter dem unsagbaren. als das zeigen auf den akt des sprechens.
in einer analyse deiner bisherigen tätigkeit – der berühmten maxime antonio grescis folgend: pessimismus des intellekts, optimismus des willens – wurde klar, dass es sich im kern um eine bestimmte form des komponierens handelt.
wert, zweifel, selbstreferenz, vermittlung.
die vier begriffe umschreiben die tätigkeit des komponierens.
in der hauptsache heißt komponieren entscheiden. was soll in den rahmen der komposition hinein. komposition also als das ende einer reihe von entscheidungen verstanden. darüber, was teil eines bestimmten rahmens ist, und was nicht. der rahmen ist die unangetastete prämisse und kann gleichsam soundfile, bühnenraum, leinwand, bildschirm usw. sein. was muss draußen bleiben? den wert der auftauchenden gedanken und ideen evaluieren. abwägen: ja oder nein. und das wird beständig hinterfragt. sowohl die handlung des entscheidens, die werte, sowie die urteile und selbstverständlich auch das zweifel selbst. der rahmen stellt dann letztlich in ermanglung eines entschiedenen inhalts das scheitern des kompositionsvorgangs aus.
noch allgemeiner ausgedrückt, ist der rahmen die grenze zwischen dem, was aus dem möglichkeitsraum in die komposition übergegangen ist, und dem rest der welt. diese grenze konstituiert sich also immer schon selbst durch die anwesenheit eines jenseitigen. oder anders gesagt: durch die unmöglichkeit der abwesenheit des jenseits.
was ist das für ein seltsames totalitäres verlangen nach einer absoluten erfahrung? wäre es wirklich so interessant, wenn chris burden noch heute an den vw käfer genagelt? oder marina abramovic nie mehr von ihrem toilettenstuhl im moma aufgestanden wäre? als menschen mit körpern sind wir in eine räumlich und zeitlich begrenzte endlichkeit eingebunden. der umstand, dass schon hellere lichter von der diskrepanz zwischen unendlichen metaphysischen erfahrungen und materieller wirklichkeit halb oder ganz wahnsinnig geworden sind, ist dabei nur mäßig tröstlich.
maßgeblich treibt dich deine verbundenheit zum zweifeln von der einsicht fort, dass es gewisse dinge gibt, mit denen man sich einfach abfinden muss.
ein schönes beispiel für ein unlösbares entscheidungsproblem ist im filmklassiker 'wargames' von 1983 zu sehen. der supercomupter des us-verteidigungsministerium versucht die beste strategie für einen siegreichen nuklearkrieg auszurechnen. ein schönes beispiel für das wesen der inszenierung. 1983 gab es zwar schon sprachsyntheziser, die waren aber so schlecht, dass man einen vervocoderten schauspieler hernehmen musste, dessen rückwärs aufgesagte texte vorwärts abgespielt wurden um diesen entfremdungseffekt herzustellen.
zweifel. ein wert an sich. und die grube, die sich selbst gräbt.

die totalität des alltags abbilden

sprechen ist eine bewegung. genau wie denken und schreiben. wobei das schreiben einen speziallfall darstellt: das geschriebene wird festgehalten, haftet einer oberfläche an. das schreiben ist eine art loslassen des denkens. paradox: loslassen führt zu festhalten. es lässt sich auch anders betrachten:
das haften an einer oberfläche ist gerade ein loslassen aus perspektive des denkens. muss es ja nicht mehr gedacht, oder gesprochren werden, sondern führt jetzt ein eigenleben in einem anderen medium. demnach ist das denken immer schon ein anhaften an denkobjekten oder vielleicht auch an dem denken selbst. die illusion der bewegung erscheint bei der betrachtung des stotternden geist aus einer gewissen entfernung. allein die distanz zum denken konstruiert aus dem stockenden, immer wieder anhaftenden springen zum nächsten haftobjekt ein kontinuum.

spielstraßenteppich performance@kunstpalast

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